Infos zu Mobilität und Freizügigkeit in der EU

Derzeit steht die Mobilität und Freizügigkeit der EU-BürgerInnen im Fokus der öffentlichen Diskussion. In der Debatte werden Begriffe und Rechtsmaterien vermischt, die unabhängig voneinander zu betrachten sind. Hier die wichtigsten Infos auf einen Blick.

EU-Personenfreizügigkeit: Eine der 4 Grundfreiheiten der EU

In der Europäischen Union gilt der freie Personen-, Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalverkehr. Diese Freiheiten stellen die Grundlage des Binnenmarktes dar, der in dieser Form seit dem 1. Jänner 1993 besteht. Individuelle Vorteile bringt dabei vor allem die Personenfreizügigkeit, weil alle EU-BürgerInnen in jedem Land der Europäischen Union wohnen und auch arbeiten können. Außerdem ist es möglich, Familienangehörige in ein anderes EU-Land mitzunehmen, auch wenn sie selbst keine EU-BürgerInnen sind. Diese Personenfreizügigkeit gilt auch in den EWR-Staaten Island, Lichtenstein und Norwegen.

Die Personenfreizügigkeit ist in Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (Arbeitnehmerinnenfreizügigkeit) sowie in Artikel 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) geregelt.

Darüber hinaus folgt aus der so genannten UnionsbürgerInnenschaft ein von wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängiges Freizügigkeitsrecht. Das heißt, dass gemäß Artikel 21 Absatz 1 AEUV alle UnionsbürgerInnen das Recht haben, sich frei in den Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten. Die UnionsbürgerInnschaft wurde mit dem Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 eingeführt und gewährt neben dem Freizügigkeitsrecht noch weitere Rechte wie beispielsweise das aktive und passive Wahlrecht zum Europäischen Parlament.

Einschränkungen der Personenfreizügigkeit

Das Recht auf einen Aufenthalt in einem anderen EU-Land ist nur dann über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten möglich, wenn

  • einer Beschäftigung nachgegangen wird (auch Selbständigkeit)
    oder
  • Ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, sodass keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen werden müssen
    oder
  • eine laufende Ausbildung vorliegt

Die Personenfreizügigkeit ist ein Grundrecht der UnionsbürgerInnen und könnte nur durch eine Änderung der EU-Verträge geändert werden, wofür die Zustimmung aller 28 Mitgliedsstaaten notwendig wäre.

Beim Beitritt neuer EU-Mitgliedsstaaten gibt es jedoch seit der ersten „Osterweiterung“ Übergangsfristen bis zu maximal 7 Jahren für den Zugang zum Arbeitsmarkt. Im Falle Kroatiens ist eine Übergangsfrist noch bis 2020 in Kraft. Für Rumänien und Bulgarien galt sie bis 1.1.2014 – jene für Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Polen, Estland, Lettland und Litauen ist bereits 2011 ausgelaufen. Der von rechten PolitikerInnen heraufbeschworene Ansturm auf den österreichischen Arbeitsmarkt blieb dabei aus. Wir haben die Übergangslösungen stets kritisiert, weil dadurch illegale Beschäftigungen wie Schwarzarbeit oder Saisonarbeit genährt werden.

EU-Entsenderichtlinie

Eine Entsendung betrifft ArbeitnehmerInnen, die in einem EU-Mitgliedsstaat angestellt sind und vom Arbeitgeber temporär in einen anderen Mitgliedstaat entsendet werden – etwa wenn es sich um die Auftragsarbeit eines Dienstleisters in einem anderen Land handelt.

Um sicherzustellen, dass die ArbeitnehmerInnenrechte im gesamten EU-Raum geschützt sind, und um „Sozialdumping“ zu vermeiden – d. h. dass Preise auf lokalen Märkten durch ausländische DienstleisterInnen durch schlechtere Arbeitsnormen unterboten werden – gibt es im EU-Recht Vorschriften zu den Arbeitsbedingungen entsandter Mitarbeiter.

Die zentrale Bestimmung: für entsendete ArbeitnehmerInnen müssen dieselben Normen gelten, wie für die im Gastland lebenden ArbeitnehmerInnen. Also z.B. Regelungen betreffend Mindestgrenzen für Arbeits- und Pausenzeiten, bezahlten Urlaub, Entlohnung, Gleichbehandlung von Frauen und Männern. ArbeitgeberInnen steht es aber in jedem Fall frei, bessere Konditionen als jene des Gastlandes anzubieten.

Entsendete ArbeitnehmerInnen bleiben jedoch im Sozialsystem des Landes, in dem die Firma ihren Sitz hat, versichert. Das betrifft auch Pensions-, Unfall- und Arbeitslosenversicherungen sowie die Familienleistungen (bei einer Entsendung bis maximal 24 Monate).

Österreichisches Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping

Mit dem Auslaufen der ersten Übergangsfristen 2011 ist in Österreich das Gesetz gegen Lohn- und Steuerdumping in Kraft getreten. Dadurch kann die Bezahlung von Mindestlöhnen kontrolliert werden. Grundsätzlich ist dieses Gesetz sehr zu begrüßen, aber es braucht mehr Kontrollen und höhere Strafen, damit faire Arbeitsbedingungen tatsächlich eingehalten werden.

Sozialunion zur Sicherung der Grundrechte

Wir Grüne kämpfen für eine Sozialunion als Gegengewicht zur Wirtschafts- und Währungsunion mit europaweit verbindlichen sozialen Mindeststandards und ausreichend Budgetmittel für aktive Arbeitsmarktpolitik. Grundrechte, wie die Personenfreizügigkeit, sowie hart erkämpfte Arbeitnehmerinnenrechte müssen geschützt und für alle EU-BürgerInnen gewährleistet werden. Freizügigkeit und Nichtdiskriminierung sind EU-Grundrechte, die wir verteidigen.

Freizügigkeit ist nicht nur immanenter Bestandteil des Binnenmarktes, sondern dient auch dem wirtschaftlichen, sozialen und territorialem Zusammenhalt. Hohe Arbeitslosigkeit darf nicht zur Folge haben, dass Sozialleistungen für EU-BürgerInnen weiter eingeschränkt werden. Ganz im Gegenteil: Wir brauchen europaweit verbindliche Mindeststandards, etwa für Mindestlöhne, Grundsicherung und Arbeitslosenunterstützung.