Kein Schutz in Europa – Wie die österreichische Ratspräsidentschaft das soziale Europa hintergeht

„Ein Europa, das schützt“, war das selbstgewählte Motto von ÖVP und FPÖ für die Ratspräsidentschaft. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich das als Mogelpackung. Die Bilanz des vergangenen Halbjahres zeigt: Geschützt werden Konzerne und nationalistische Staatschefs, aber nicht die Bürgerinnen und Bürger Europas.

Die sozialpolitischen Angriffe von Schwarz-Blau in Österreich auf den 8-Stunden-Arbeitstag, die Notstandshilfe oder die Fördergelder für zahlreiche Frauenorganisationen, stehen uns auch auf EU-Ebene bevor. Denn ÖVP und FPÖ machen sich für eine ausgehungertes EU-Budget stark. Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU entsteht ein Milliardenloch im gemeinsamen Haushalt. Ohne Gegenmaßnahmen können wichtige Infrastruktur- oder Sozialprojekte in Österreichs Städten und Regionen nicht mehr von der EU finanziert werden. Gegen eine höhere Beitragszahlung für alle Mitgliedsstaaten zu sein, ist die eine Sache. Sich dann aber nicht einmal für Alternativlösungen einzusetzen – etwa durch eigene EU-Einnahmen in Form einer Aktiensteuer – ist verantwortungslos.

Absoluter Tiefpunkt der Ratspräsidentschaft war der Beschluss zur Kürzung der Familienbeihilfe. Die Vorbildwirkung ist fatal. Nicht nur, dass diese Maßnahme vor allem arme Menschen trifft. Noch dazu wird damit gerade vom Ratsvorsitzland ein Gesetz beschlossen, mit dem klar gegen geltendes EU-Recht verstoßen wird.

Mit diesem Beschluss hat Schwarz-Blau den Rahmen der Rechtsstaatlichkeit verlassen. Es ist legitim, für eine Änderung der bestehenden Gesetzeslage zu kämpfen, keine Frage. Wenn sich eine Regierung aber eigenmächtig über Gesetze hinwegsetzt, geht das eindeutig zu weit. Und es ist leider nicht der einzige Fall, der die Regierungsparteien in ein mehr als zweifelhaftes rechtsstaatliches Licht rückt. Die Angriffe auf die Medienfreiheit im Innenministerium oder der Einspruch des EuGH gegen das schwarzblaue Mindestsicherung-Modell in Oberösterreich sprechen eine eindeutige Sprache.

Letzte Woche ging die Klimakonferenz in Kattowitz zu Ende. ÖVP und FPÖ haben es dabei sträflich vernachlässigt, sich als Vorreiter für den Klimaschutz einzusetzen. Dabei steigt der CO2-Ausstoß sowohl in Österreich als auch in der EU weiter an. Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu reduzieren, wird es engagierte Maßnahmen brauchen, auch finanzielle. In den nächsten beiden Jahren fehlen jedoch 7 Milliarden Euro, um die im Anschluss an das Pariser Klimaschutzabkommen selbst gesteckten Ziele für Klimaschutzausgaben der EU zu erreichen. Im EU-Budget 2019, das unter österreichischem Ratsvorsitz verhandelt wurde, ist nichts davon zu finden.

Dabei: Geld scheint es zu geben, aber nicht für eine Sozialunion, nicht für den Klimaschutz und nicht für Kinder. Die Verteidigungsausgaben werden nächstes Jahr ordentlich aufgestockt. Bis 2027 sogar um 13 Milliarden Euro. Statt weiterhin im Interesse von Rüstungslobbies und Konzernen zu handeln, hätte sich die Regierung für ein Ende von Steuerhinterziehung einsetzen können. Laut Schätzungen wären dadurch EU-weit Einnahmen bis zu 1.000 Milliarden Euro möglich.

Die Europäische Union ist entstanden, weil sich die EuropäerInnen nach zwei verheerenden Weltkriegen nach stabilem Frieden gesehnt haben. Wer eine „Achse der Willigen“ heraufbeschwört, sich mit nationalistischen Machthabern verbündet und vor einem Despoten wie Putin unterwürfig in die Knie geht, setzt hingegen den Fortbestand des gemeinsamen Europas aufs Spiel. Wer mit Marine Le Pen und der UKIP zusammenarbeitet, die beide ein Ende der EU herbeisehnen, der ist kein Brückenbauer. Wir müssen die EU vor den Sprengmeistern eines gemeinsamen Europas schützen.