Rechtsruck bei Wahlen auch in Tschechien

Die Parlamentswahlen in Tschechien am 20./21. Oktober brachten ein Ergebnis, das in einigen Punkten jenen der wenige Tage zuvor abgehaltenen Wahl zum österreichischen Nationalrat ähnelt.
Zwar ist die Parteienlandschaft in Tschechien breiter als in Österreich (künftig sind dort 9 Parteien im Parlament vertreten, in Österreich nur 5), doch ein Rechtsruck im Wahlverhalten war in beiden Ländern zu beobachten.

Einen Erdrutschsieg erreichte die Partei ANO 2011 (Aktion unzufriedener Bürger) des rechtsliberalen und populistischen Unternehmers Andrej Babiš, die bereits in der Regierung vertreten war. Ministerpräsident war allerdings ein Sozialdemokrat, Bohuslav Sobotka.
Babiš erreichte, ähnlich wie Sebastian Kurz in Österreich, um die 30% der Stimmen.
Von 2014 bis Mai 2017 war er Finanzminister gewesen, dann musste er wegen Betrugsvorwürfen, u.a. im Zusammenhang mit EU-Fördermitteln, zurücktreten. Im Wahlkampf positionierte er sich klar gegen Flüchtlinge und MigrantInnen. Auch ein gewisses „Macher-Image“ dürfte dem Milliardär zu Gute gekommen sein. Seine Partei gehört jedoch der ALDE, der liberalen Fraktion im Europaparlament, an.

Ebenfalls deutliche Gewinne fuhr eine rechtspopulistische bis rechtsextreme Partei ein, die SPD (Svoboda a přímá demokracie – Freiheit und direkte Demokratie) von Tomio Okamura, dem „tschechischen Strache“, ein. Er war schon 2013 mit einer Protestpartei namens „Úsvit“ („Morgendämmerung“), die 6,9% und 14 Mandate erreichte, ins Parlament eingezogen, die er 2015 zugunsten der Neugründung der SPD verließ. Mit dieser kam er auf 10,6%.
Obwohl er Sohn einer Tschechin und eines Japaners ist, also „Migrationshintergrund“ hat, richtete sich seine Politik aggressiv gegen MigrantInnen und Minderheiten. Von der Verharmlosung des Massenmords an Roma im 2. Weltkrieg über Boykottaufrufe gegen Muslime (und den Vorschlag, Schweine vor Moscheen zu treiben) über zu homophobe und EU-feindliche Äußerungen bis zum Kampf gegen die Aufnahme von 70 Flüchtlingen in Tschechien reicht sein Spektrum der Grauslichkeiten. Seine Partei trat der europaweiten Partei MENL (Bewegung für ein Europa der Nationen und der Freiheit) bei, in der sich auch die FPÖ und der französische Front National finden.

ANO und SPD haben mitsammen die Hälfte der 200 Mandate, es gibt also einen vertiablen Rechtsruck auch in einem Land, in dem kaum MigrantInnen leben.

Die Linke hat, wie in Österreich, stark verloren:  Die regierenden Sozialdemokraten erlebten ein Debakel und fielen hinter die Kommunisten zurück, die ebenfalls verloren, und die Grünen, die zwar nicht im Parlament vertreten waren, fielen von 3.20 auf 1,47% zurück, was einen schmerzhaften finanziellen Verlust bedeutet. Sie sind jedoch noch auf regionaler Ebene (Landtag von Südmähren), in Stadtregierungen von Prag und Brünn sowie im Senat vertreten. Also auch hier eine Parallele zu Österreich.
Ein Teil der grünen WählerInnenschaft wanderte zur Piratenpartei ab, die mit fast 11% ins Abgeordnetenhaus einzog und nun die stärkste nicht-rechte Oppositionspartei ist. Parallele zur Liste Pilz: früher gab es auch Listengemeinschaften von Grünen und Piraten in Tschechien.

Es könnte durchaus zu einer rechten Regierungskoalition zwischen ANO und der konservativen ODS (die einst vom europaskeptischen und wirtschaftsliberalen Václav Klaus gegründet wurde) kommen, andere Konstellationen wären schwieriger.
Es stehen also auch der Zivilgesellschaft in Tschechien einige harte und wohl auch kämpferische Jahre bevor.

Das Wahlergebnis vom 20./21. Oktober 2017:
ANO Aktion unzufriedener Bürger 29,64% (18,66%) 78 M. (47)
ODS Demokratische Bürgerpartei 11,32% (  7,73%) 25 M. (16)
Piráti Piratenpartei 10,80% (  2,66%)    22 M.  (  0)
SPD Freiheit und direkte Demokratie 10,64% (  6,89%)    22 M.  (14)
KSČM Kommunistische Partei 7,77% (14,91%)   15 M.  (33)
ČSSD Sozialdemokratische Partei 7,28% (20,46%)    15 M.  (50)
KDU-ČSL Christdemokraten 5,80% (  6,78%)   10 M.  (14)
TOP 09  Tradition Verantwortung Fortschritt   5,31% (12,00%)  7 M.  (26)
STAN Bürgermeister und Unabhängige 5,18% (   n. k.  )   6 M.  (  – )
Svobodní  Partei freier Bürger (libertär)  1,57% (  2,47%)    0 M.  (  0)
SZ  Grüne Partei   1,47% (  3,20%)    0 M.  (  0)