Interview mit Moni Vana

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Moni Vana im Straßburger Büro. © Büro Moni Vana

Du hast ja lange Europapolitik von der Stadt-Ebene aus gemacht. Welches Gefühl war das, als klar war, dass du das dritte Mandat erhältst und ins Europaparlament ziehst?
Das Gefühl, tatsächlich ins Europaparlament einzuziehen, war unbeschreiblich. Es hat einige Tage gedauert es zu realisieren. Da ich seit vielen Jahren von kommunaler Ebene aus europapolitisch tätig war, sind mir Brüssel und seine Arbeitsweisen nicht fremd. Aber nun wirklich selbst unmittelbar an europäischer Gesetzgebung mitzuwirken, ist eine besondere Herausforderung.

Was sind die größten Unterschiede zwischen deiner Arbeit im Gemeinderat und im Europaparlament? Was war anfangs die größte Herausforderung?
Einer der größten Unterschiede zu meiner bisherigen Arbeit ist die permanente Verhandlung über Parteigrenzen hinweg und das fast völlige Fehlen eines „Klubszwangs“. Jede/r Abgeordnete stimmt nach eigenem Gewissen und Grundhaltung ab, wobei wir Grüne als Fraktion mit dem harmonischsten Abstimmungsverhalten gelten.

Ein Charakteristikum meiner neuen Arbeit ist auch  die Fülle an unterschiedlichen Themen, die es zu betreuen gilt. Von der Mutterschutz-Richtlinie über Konzepte zur Schaffung von Green Jobs bis zu Subventionen für den Stierkampf  – mein Arbeitsbereich in 4 Ausschüssen ist fast unüberschaubar breit. Hier Prioriäten zu setzen, wird eine große Herausforderung.

Die Verhandlungen rund um TTIP, CETA und TiSA laufen. Wie denkst du über die drei Handelsabkommen?
Meiner Ansicht nach brauchen wir keine neue Freihandelsabkommen, im Gegenteil: der Schutz und Ausbau von Sozial-, Umwelt- und VerbraucherInnenschutzstandards in Europa wäre eine vordringlichere Aufgabe, genauso wie die Aufrechterhaltung öffentlicher Dienstleistungen. Ich bin keine Binnenmarkthörige, im Gegenteil: für mich haben der Aufbau einer Sozialunion und einer Europäischen Demokratie Vorrang.

Du kämpfst seit Jahren für eine EU-Sozialunion. Was genau ist das und wie kann sie erreicht werden?
Wir brauchen dringend eine Sozialunion als Gegengewicht zur Wirtschafts- und Währungsunion. Die brutale Sparpolitik im Zuge des Fiskalpakts hat bereits zu enormen sozialen Verwerfungen in vielen Mitgliedsländern geführt: ArbeitnehmerInnenrechte wurden abgebaut, die Arbeitslosigkeit – allen voran die Jugendarbeitslosigkeit – ist dramatisch gestiegen, Vollzeitarbeit wird vor allem für Frauen in nicht existenzsichernde Teilzeit umgewandelt. Wir brauchen dringend europaweit verbindliche soziale Mindeststandards, zb bei Mindestlohn, Arbeitslosenversicherung und beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen.

Wie handhabst du den Kontakt zu Lobbyisten?
Ich habe vor, meine Kontakte auf ins Transparenzregister (kennt man auch als Lobbyregister) eingetragene Personen und Vereinigungen zu beschränken. Es hat eine unerträgliche Schieflage, dass um eine Vielzahl mehr Wirtschafts- und Finanzlobbyisten um einen Termin bei mir anfragen als zB NGOs. Meine Sympathien sind hier klar.

Du sagst über dich, dass du eine Feministin bist – was macht eine echte Feministin im Jahr 2014 aus?
Feminismus ist das konsequente Eintreten für die Gleichstellung von Frauen. Trotz Fortschritten in der Gleichbehandlungs-Gesetzgebung zeigt die Realität immer noch drastische strukturelle Benachteiligungen von Frauen: geringeres Einkommen für gleichwertige Arbeit, eine Ungleichverteilung von Familien-und Hausarbeit, eine Unterrepräsentation in gut bezahlten Positionen. Nach vielen Jahren in der Frauenpolitik weiß ich: Frauenpolitik ist immer Widerstandspolitik.

Du hast lange mit Johanna Dohnal gearbeitet und warst 10 Jahre Frauensprecherin der Grünen Wien. Welchen Rat würdest du einer jungen Frau heute geben, die Politikerin werden möchte?
Politikerin muss man mit Leidenschaft sein, oder man lässt es. Es gibt viele tolle Berufe, in denen frau sich für andere einsetzen kann. Politik ist ein Feld, in dem konkrete Verbesserungen für das Leben der Menschen erreicht werden können. Aber man braucht über die Jahre auch eine dicke Haut, Rückschläge sind an der Tagesordnung. Jedenfalls gilt: wenn man etwas mit Überzeugung macht, ist es nie verkehrt.

Hast du zwischen Brüssel und Straßburg eigentlich noch Freizeit? Was machst du, um dich zu entspannen?
Meine Freizeit beschränkt sich auf ein paar freie Wochenenden und gemeinsame Urlaube mit meiner Familie. Zur Entspannung gönne ich mir so oft es geht einen Museumsbesuch.