20 Jahre Österreich in der EU: Erfolgsgeschichte oder Demokratieabbau?

Vor 20 Jahren, am 1.1.1995, trat Österreich der EU bei. Ein im Vorfeld umstrittenes Ereignis, das Österreichs politische Rahmenbedingungen entscheidend verändert hat. Bei der Volksabstimmung im Juni 1994 stimmten nach einer aufwändigen “Überzeugungswelle” der damaligen rot-schwarzen Bundesregierung (ich nenne es Propaganda) zwei Drittel dafür. Die Diskussion war geprägt von einerseits unrealistischen Versprechungen der Regierungsparteien (vom legendären “Ederer-Tausender” über mehr Arbeitsplätze), andererseits von dumpfer Panikmache à la „Schildlaus-Joghurt“ (Jörg Haider), der im Gegensatz zu inhaltlich fundierterer EU-Kritik von links medial ausgiebig Raum geboten wurde.

JA zu Europa, NEIN zur EU
Die Grünen hatten sich unter dem Motto “JA zu Europa, NEIN zur EU” damals mehrheitlich gegen einen Beitritt ausgesprochen und Alternativen in Form einer Teilnahme am EWR (Europäischen Wirtschaftsraums) bzw. verstärkter Bündnisse neutraler Staaten diskutiert, sich allerdings nach der Entscheidung durch die Bevölkerung dafür entschieden, das eindeutige BürgerInnenvotum zu akzeptieren und fortan innerhalb der EU aktiv für Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zu kämpfen – eine Linie, die sich schließlich als richtig und als bis heute zielführend herausgestellt hat.

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1.1.1995: Österreich tritt der EU bei.

Die Herausforderungen angesichts der Krise
Dass der EU-Beitritt für Österreich wirtschaftliche Vorteile gebracht hat, gilt heute als unbestritten (vor allem in dem Sinn der Kosten eines etwaigen Nicht-Beitritts). Aber reicht das wirtschaftliche Argument für dieRechtfertigung des Beitritts? Mitnichten, empfinden doch viele Menschen die EU mittlerweile stärker als Vehikel des Neoliberalismus und Sozialabbaus (Stichwort Troika) anstatt als Verteidigerin sozialer Errungenschaften und Instrument, Europa mitzugestalten.
Bei all den makroökonomischen Kennzahlen, die regelmäßig präsentiert werden, sollte nämlich dazu gesagt werden, wer eigentlich die ProfiteurInnen von Freihandel und Binnenmarkt sind: Trotz des Beitritts (oder sogar infolge?) geht die Schere zwischen Reich und Arm weiter auseinander, ist die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau, werden öffentliche Dienstleistungen europaweit ab- statt ausgebaut, zählen Finanzmärkte mehr als Menschen. Dies allein zeigt, wie wichtig zur Aufrechterhaltung der Glaubwürdigkeit der Europäischen Union die Schaffung einer Sozialunion als Gegengewicht zur Wirtschafts- und Währungsunion wäre – mit europaweiten sozialen Mindeststandards wie zB einer europaweiten Arbeitslosenversicherung und Mindestlöhnen sowie mutigen Schritten in Richtung mehr direkter Demokratie und einem mit sämtlichen Mitbestimmungsrechten ausgestatteten Europäischen Parlament.

Ich bin überzeugt: Wer die EU zu einem Erfolgsprojekt machen will, muss sie sozial, ökologisch und demokratisch verändern. Moni Vana

Die EU – ein Friedensprojekt
Die öffentliche Diskussion über die EU bewegt sich allerdings mehrheitlich auf „Boulevard-Ebene“: über Details wie die angebliche Gurkenkrümmung, neue Glühbirnen, bis hin zu Allergie-Kennzeichnung von Speisen wird heftig diskutiert, während die wohl wichtigsten Aspekte der EU im „alltäglichen Leben“ kaum ankommen: die europäische Solidarität und die historisch unumstrittene Rolle als Friedensprojekt, sowie als Wahrerin „europäischer Werte“ wie Toleranz und Meinungsfreiheit. Hier einen Perspektivenwechsel von der „Schrebergarten-Ebene“ und des Desinteresses hin zu einem gesamt-europäischen Denken mit entsprechender Diskussionskultur zu schaffen, ist vielleicht eine der Haupt-Herausforderungen der kommenden Jahre – vor allem in Österreich. Allerdings müsste die EU dazu ihre Glaubwürdigkeit vor allem in Menschenrechtsfragen (Schutz von Flüchtlingen im Mittelmeer) und sozialen Fragen (Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Armut, gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung) verstärken.

Fotos: EU-Parlament von Botond Horvath &  shutterstock.com