Mazedonien

Tauziehen um neue Regierung

Seit der Parlamentswahl vom April 2014, bei der die rechtskonservative Regierung von Nikola Gruevski möglicherweise ihrem Wahlsieg mit unerlaubten Mitteln „nachgeholfen“ hat, gab es starke Spannungen zwischen der von der VMRO-DPMNE (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation) geführten Regierung und der Opposition (deren stärkste Partei die Sozialdemokratische Union SDSM ist).

Als im Mai 2015 durch Tonbandaufnahmen auch Beweise für die zynische Machtpolitik der VMRO öffentlich wurden – Amtsmissbrauch, Erpressung, Wahlfälschung, illegale Bespitzelung von 20.000 BürgerInnen, usw. – kam es zu Massendemonstrationen gegen die Regierung. Damals trat auch die grüne Partei DOM (Demokratische Erneuerung Mazedoniens) aus der Regierungskoalition aus und schloss sich den Protesten an.

Im Juli 2015 wurde, unter Vermittlung der EU, das Abkommen von Pržino (das ist ein Bezirksteil in Skopje) geschlossen. Es sah die Abhaltung von Neuwahlen durch eine Übergangsregierung nach gemeinsamer Überprüfung des WählerInnenverzeichnisses vor, die Gewährleistung von Medienfreiheit und die Berufung eines Sonderstaatsanwalts, der sich mit der Aufarbeitung der politischen Affären befassen soll.

Versuche seitens der VMRO, die strafrechtliche Aufarbeitung der Skandale zu behindern, führten im Frühjahr 2016 erneut zu Massenprotesten der Opposition, und nach mehrmaligem Verschieben wurde die vorgezogene Parlamentswahl schließlich für den 11. Dezember 2016 festgelegt.

Die seit 10 Jahren an der Macht befindliche und zunehmend autoritärer regierende Koalition der VMRO, die dank „vorauseilenden Gehorsams“ einen stärkeren Einfluss in Medien und Gesellschaft hat als ihr Ergebnis bei Wahlen (43% im Jahr 2014) vermuten ließe, musste am 11. Dezember deutliche Verluste hinnehmen und sank um knapp 5 Prozentpunkte auf 38,14% der Stimmen.

Großer Wahlsieger war die von der SDSM geführte Mitte-Links-Koalition aus sozialdemokratischen, linken und linksliberalen Parteien, zivilgesellschaftlichen Gruppen und Parteien ethnischer Minderheiten, der diesmal auch die 2006 gegründeten Grünen angehörten. Sie kam auf 36,66% und legte mehr als 11 Prozentpunkte zu!

DOM-Kandidatin Maja Moračanin, die 2015 beim 11. grünen „Central European Round Table“ in Wien sprach (Bild oben), wurde im Wahlkreis 2 – dem Nordteil der Hauptstadt Skopje und Umgebung -gewählt. Sie löst damit die langjährige grüne Parlamentsabgeordnete Liljana Popovska ab, die als engagierte und integre Politikerin in der Zivilgesellschaft hohes Ansehen genießt und weiter für DOM als „Mentorin“ zur Verfügung stehen wird.

Schwierig wird in den kommenden zweieinhalb Wochen die Regierungsbildung werden, mit der Gruevski am 9. Jänner beauftragt wurde:

Die SDSM-geführte oppositionelle Koalition kam auf 49 der 120 Mandate und bräuchte für eine Regierungsmehrheit zwei der nunmehr vier im Parlament vertretenen albanischen Parteien. Dazu wird es aber wohl nicht kommen, da die größte, die bisher mitregierende DUI (Demokratische Union für Integration), mit ihren 10 Mandaten – sie verlor gegenüber 2014 neun Sitze – auch eine ganz knappe Mehrheit mit der VMRO-geführten Koalition, die mit 51 Mandaten vorne liegt, bilden könnte. Um eigene Skandale besser zu vertuschen, könnte es also eine Neuauflage der bisherigen Regierung geben – als unpopuläre „Koalition der Verlierer“.

In diesem Fall wäre ein Erstarken der Opposition denkbar, das sich bei den voraussichtlich im März 2017 stattfindenden Kommunalwahlen (wenn diese frei und fair abgehalten werden) zeigen könnte. DOM wird, so wie es aussieht, eigenständig antreten und hat auch schon begonnen, potentielle KandidatInnen anzusprechen.

Der Abstand zwischen Regierung und Opposition (1,48 Prozentpunkte und 2 Mandate) bei der Dezember-Wahl war jedenfalls so knapp, dass der Auftritt von Außenminister Kurz am 27. November bei einer Wahlkampf-Veranstaltung der VMRO (auch wenn er offiziell als Vertreter der ÖVP sprach und nicht als österreichisches Regierungsmitglied) sich leider im Nachhinein als eine Aktion herausstellen könnte, die möglicherweise einen demokratischen Wechsel mitverhindert hat.

Dass Gruevski für ein autoritäres und korruptes Regime steht, das in der täglichen Politik „europäische Werte“ in keiner Weise lebt, dürfte Kurz bei aller Freude über die Schließung der Balkan-Route gegenüber Flüchtlingen entgangen sein…