Mutterschutzrichtlinie am Rande des Abgrunds

Sechs Monate Gnadenfrist für die Mutterschutzrichtlinie – das beschloss die EU-Kommission im Dezember 2014.

Der zuständige Vizepräsident der Kommission Frans Timmermans schiebt die Verantwortung auf das Europäische Parlament. Bis zum Sommer diesen Jahres muss ein Übereinkommen zwischen Parlament, Rat und Kommission gefunden werden, sonst ist die Diskussion vom Tisch.

Um was geht’s?
Bei der Mutterschutz-Richtlinie geht es um eine entscheidende Weiterentwicklung des europäischen Arbeitsrechts in Richtung Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen, europaweiter Mindeststandards für den Elternurlaub und die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs.

  • Derzeitige EU-Gesetzgebung: mind. 14 Wochen (davon 2 verpflichtend) – angemessene Bezahlung, mind. Höhe des Entgelds bei Krankenstand
  • Vorschlag der Kommission: mind. 18 Wochen (davon 6 verpflichtend nach der Geburt) – 6 Wochen verpflichtend bei voller Bezahlung, 12 Wochen Bezahlung nach Regelung des Mitgliedsstaates, aber mind. 85% des letzten Gehalts
  • Antrag des Parlaments: mind. 20 Wochen (davon 6 verpflichtend nach der Geburt) bei 100% Bezahlung

Neben der Länge des Mutterschutzes ist vor allem die Bezahlung von großer Bedeutung: Derzeit erhalten Mütter in Österreich 8 Wochen vor und nach der Geburt volle Bezüge ihres letzten Gehalts.

Das Parlament signalisiert Kompromissbereitschaft, doch die Ablehnung des Rates ist deutlich: Die lettische Ratspräsidentschaft zeigt Desinteresse und Ignoranz gegenüber dem Thema und sagte ihre Teilnahme an der betreffenden Aussprache im Frauenausschuss des Europäischen Parlaments kurzfristig ab. Nun soll eine Arbeitsgruppe, bestehend aus dem Trio der Ratspräsidentschaft (Italien, Luxemburg und Lettland), und dem Parlament eingerichtet werden.

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(c) Greens/EFA, flickr.com

Warum geht nichts weiter?
Im Oktober 2010 wurde der Bericht im Plenum des Europäischen Parlaments abgestimmt. Seit fast fünf Jahren schalten die EU-Mitgliedsstaaten inzwischen auf stur und blockieren das Fortkommen der Gesetzesvorlage im Rat. Die Interessen der Wirtschaft und die Ignoranz der Staats- und RegierungschefInnen gegenüber Frauenanliegen dominieren, sie halten die Mutterschutzrichtlinie für zu teuer.

Im Dezember 2014 stellte Juncker sein Arbeitsprogramm vor, in dem er Wachstum und Beschäftigung als Prioritäten für Europa betonte. Auch Frans Timmermans sprach sich für gleiche Bedingungen für Frauen und Männer am Arbeitsmarkt aus. Beide Aussagen widersprechen vollkommen dem derzeitigen Vorgehen im Umgang mit der Mutterschutzrichtlinie.

Das Verhalten von Rat und Kommission ist nicht nur bei diesem Thema verheerend, sondern lässt für das soziale Europa in Zukunft Böses erahnen: Es liegt nahe, dass die Mitgliedsstaaten alle unliebsamen Gesetzesvorschläge in Zukunft so lange liegen lassen, bis die EU-Kommission sie wieder zurückzieht.