Rechtsstaatlichkeit in der EU

Oder: Warum die polnische Regierung bald empfindlich weniger Geld zur Verfügung haben könnte

Am 25. Oktober haben wir den Europäischen Tag der Justiz gefeiert – ein besonders wichtiger Tag für unsere Gesellschaft, denn ohne eine unabhängige und funktionierende Justiz können grundlegende Menschenrechte und Demokratie nicht garantiert werden.  Mehr als 90 Prozent der europäischen Bürger:innen finden, dass die Rechtsstaatlichkeit eine der wichtigsten Säulen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten ist. Die Wichtigkeit einer unabhängigen Justiz zeigt sich spätestens in dem Moment sehr deutlich, wenn Richter:innen nicht mehr unabhängig arbeiten können, weil einzelne Politiker:innen oder eine gesamte Regierung in ihre Arbeit eingreift bzw. Einfluss ausübt. Wenn autoritäre Politiker:innen die politische Kontrolle über die Justiz übernehmen, nutzen sie diese Macht, um Grundrechte wie aktuell bspw. das Recht auf Schwangerschaftsabbruch anzugreifen oder öffentliche Gelder missbräuchlich zu verwenden. 

In der Europäischen Union passiert genau das im Moment in Polen und Ungarn – deswegen ist es umso wichtiger, dass die Europäische Kommission die Justiz in der EU aktiv schützt. Der vom Rat auf Druck des Europaparlaments beschlossene Rechtsstaatsmechanismus ist daher konsequent umzusetzen. Es ist mir auch gelungen, die Einhaltung der Verträge und der Rechtsstaatlichkeit in die neue Dachverordnung der Strukturfonds (u.a. den Regionalfonds) hineinzuverhandeln. Wenn Regierungen ihre Macht missbrauchen, um Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abzubauen, muss die Kommission sie zur Rechenschaft ziehen. Der polnischen Regierung droht aktuell der Verlust an EU-Geldern, weil Polen gegen die EU-Grundrechtecharta verstößt. EU-Gelder darf es nur dann geben, wenn die Grundrechte zum Wohle aller Bürger:innen in den verschiedenen Mitgliedstaaten eingehalten werden. Allerdings funktioniert die Durchsetzung europäischer Werte nur dann, wenn die EU-Kommission ihre eigenen Regeln auch ernst nimmt und nicht aufgrund politischer Interessen und Druck aus den Mitgliedstaaten einknickt und dadurch an Glaubwürdigkeit verliert. Außerdem ist mir wichtig, dass nicht die EU-Bürger:innen – in dem Fall in Polen – zu den Leidtragenden der Kürzungen der EU-Mittel werden. Deshalb setze ich mich u.a. dafür ein, dass die Europäische Kommission z.B. durch “Direct Funding” eine Direktauszahlung von Mitteln an Städte und Gemeinden ermöglicht.